Glaser-Verfahren

Entsteht Tauwasser in einer Außenwand führt dies zu Bauschäden. Mit dem Glaser-Verfahren lässt sich festzustellen, ob im Bauteilinneren Tauwasser anfällt und ob die Konstruktion nach DIN 1408 zulässig ist. Das Glaser-Verfahren wurde nach seinem Entwickler Helmut Glaser benannt. Durch eine Beispielrechnung an einer Außenwand wird der Rechenvorgang ausführlich erklärt.

Als Beispiel wurde eine 24 cm Ziegelwand mit 10 cm Außendämmung gewählt. Innen ist die Wand mit 1 cm Putz und Außen mit 0,5 cm Kunstharzputz verputzt. Für die Berechnung wurde die Innen-Temperatur mit 20°C bei einer Luftfeuchte von 50%, und die Außen-Temperatur mit -10°C angenommen.

1. Sd-Werte ausrechnen

Gegeben ist ein Wandaufbau mit gegebenen Schichtdicken s (umgerechnet in Meter) mit den bekannten Werten für den Wärmeleitkoeffizienten λ und die Dampfdiffusionswiderstandszahl μ. Diese Werte werden in eine Tabelle eingetragen und der nach der Formel s · µ = Sd errechnete Sd-Wert in die nächste Spalte eingetragen:

Schicht s [m] λ [W / m· K] µ Sd-Wert [m] R [m2· K / W] Δ ϑ [K] ϑ [°C] Ps [Pa]
Raumluft                
Rsi                
Innenputz 0,01 1,00 15 0,15        
Ziegelmauer 0,24 0,70 5 1,20        
Dämmung 0,10 0,04 5 0,50        
Kunstharzputz 0,005 0,70 200 1,00        
Rse                
Außenluft                
      ges.: 2,85        
        RT =        

2. U-Wert berechnen

Die für das Glaser-Verfahren aus den Tabellen entnommenen gültigen Wärmeübergangswiderstände für Innen Rsi und für Außen Rse werden in die Tabelle eingefügt. Die Wärmedurchlasswiderstände R der einzelnen Schichten werden nach der Gleichung d / λ = R ausgerechnet und eintragen. Die Summe aller Wärmedurchlasswiderstände ergibt den Wärmedurchgangswiderstand RT des Bauteils, in unserem Fall ist RT = 3,03 m2· K / W.

Schicht s [m] λ [W / m· K] µ Sd-Wert [m] R [m2· K / W] Δ ϑ [K] ϑ [°C] Ps [Pa]
Raumluft                
Rsi         0,13      
Innenputz 0,01 1,00 15 0,15 0,01      
Ziegelmauer 0,24 0,70 5 1,20 0,34      
Dämmung 0,10 0,04 5 0,50 2,50      
Kunstharzputz 0,005 0,70 200 1,00 0,01      
Rse         0,04      
Außenluft                
      ges.: 2,85        
        RT = 3,030      

Nimmt man den Kehrwert des Wärmedurchgangswiderstand erhält man den U-Wert : U = 1 / RT. In diesem Beispiel hat die Wand einen U-Wert von 1 : 3,03 = 0,33 [W / m2· K].

Nach der neuen DIN 4108-3 (A.2.2) soll als Randbedingung für Rsi = 0,25 [(m2· K) / W]| angesetzt werden. Bei Rsi = 0,25 [(m2· K) / W]| ist anzunehmen, dass es an der Wand keine Luft-Zirkulation gibt. Das würde sich auf den Feuchteschutz ungünstig auswirken und wäre nur der Fall, wenn Möbel direkt an der Wand stehen. Daher wird hier der Wert für Rsi nach DIN 6946 bei 0,13 [(m2· K) / W]| angesetzt. Sie können entscheiden, welchen Wert Sie einsetzen möchten.

3.Temperaturen ermitteln

Mit der angenommenen Innen-Temperatur von 20°C und der Außen-Temperatur von -10°C ergibt sich ein Temperaturunterschied ΔT von 30°K. (1°C = 1°K). Teilt man ΔT durch den Wärmedurchgangswiderstand erhält man die Wärmestromdichte.

q = ΔT / RT

Für unser Beispiel: q = 30 / 3,030 ergibt: q = 9,9009

Durch Multiplikation der Wärmestromdichte mit dem jeweiligen Wärmedurchlass-Widerstand werden nun die einzelnen Temperaturabfälle, die sich in den Schichten ergeben, ermittelt und in die nächste Spalte mit der Bezeichnung Δ ϑ (Delta Theta) eingetragen. Zur Kontrolle muss die Summe aller Werte wieder die Temperaturdifferenz von 30°C ergeben.

Wir ergänzen die Tabelle durch die Zeilen Raumluft und Außenluft. Von der gegebenen Raumlufttemperatur wird die jeweilige Temperatur der Spalte Δ ϑ abgezogen und in die neue Spalte ϑ eingetragen. Die sich ergebenen Werte sind die Temperaturen an den Schichtübergängen, jeweils zur Seite der Außenluft hin gesehen.

Schicht s [m] λ [W / m· K] µ Sd-Wert [m] R [m2· K / W] Δ ϑ [K] ϑ [°C] Ps [Pa]
Raumluft             20  
Rsi         0,13 1,3 18,7  
Innenputz 0,01 1,00 15 0,15 0,01 0,1 18.6  
Ziegelmauer 0,24 0,70 5 1,20 0,34 3,4 15,2  
Dämmung 0,10 0,04 5 0,50 2,50 24,7 -9,5  
Kunstharzputz 0,005 0,70 200 1,00 0,01 0,1 -9,6  
Rse         0,04 0.4 -10  
Außenluft             -10  
      ges.: 2,85   30,0    
        RT = 3,030      

4. Wasserdampfsättigungsdruck eintragen

Für jede Temperatur aus der Spalte ϑ wird nun der Wasserdampfsättigungsdruck Ps errechnet oder aus der Wasserdampfsättigungsdruck-Tabelle abgelesen und in die Spalte Ps eingetragen.

Schicht s [m] λ [W / m· K] µ Sd-Wert [m] R [m2· K / W] Δ ϑ [K] ϑ [°C] Ps [Pa]
Raumluft             20 2338
Rsi         0,13 1,3 18,7 2159
Innenputz 0,01 1,00 15 0,15 0,01 0,1 18.6 2145
Ziegelmauer 0,24 0,70 5 1,20 0,34 3,4 15,2 1730
Dämmung 0,10 0,04 5 0,50 2,50 24,8 -9,5 271
Kunstharzputz 0,005 0,70 200 1,00 0,01 0,1 -9,6 269
Rse         0,04 0.4 -10 260
Außenluft             -10  
      ges.: 2,85   30,0    
        RT = 3,030      

5. Glaser-Diagramm erstellen

Je nach dem, wie dick die errechnete Schichtdicke Sd ist, wird ein geeigneter Maßstab für die Aufteilung gewählt. Bei einer Schichtdicke von 2,85 Meter sind also 3 Meter geeignet. Die entsprechenden Werte für den Wasserdampfsättigungsdruck Ps aus der Tabelle werden ins Glaser-Diagramm eingetragen und verbunden (rote Linie).

6. Feststellen ob Tauwasser anfällt

Um eine Berechnung machen zu können wird voraus gesetzt: Innenluft = 20°C bei 50% relative Luftfeuchtigkeit und Außenluft = -10°C bei 80% relative Luftfeuchtigkeit. Entsprechend ergibt sich folgender Wasserdampfteildruck:

Innen : Ps für 20°C und 100% = 2338 Pa davon 50% = 1169 Pa

Außen: Ps für -10°C und 100% = 260 Pa davon 80% = 208 Pa

Die Wasserdampfteildrücke werden ins Glaser-Diagramm eingetragen und mit Hilfe der Seilregel verbunden. Würde die rote Kennlinie über der blau-gestrichelten Linie liegen, ohne diese zu berühren, würde kein Tauwasser anfallen. In unserem Beispiel fällt Tauwasser an !

7. Berechnung der Tauwassermenge

 

Die Tauwassermenge mT berechnet sich nach der Formel:

mT = 60 Tage · ( ΔPe / ΔSde - ΔPa / ΔSda ) / 1,5 · 106

Die errechneten Werte werden in die Formel eingesetzt und man erhält :

mT = 1440 h · ( 898 Pa / 1,85 m - 63 Pa / 1 m ) / 1,5 · 106

mT = 0,4055 kg/m2

Wird die nach DIN 4108 Teil 3 zulässige Tauwassermenge überschritten, ist das Bauteil unzulässig. Wird die Tauwassermenge nicht überschritten, wird nun in Schritt 8 ermittelt, ob das während der Tauperiode (60 Tage im Winter) anfallende Wasser in der Verdunstungsperiode (90 Tage im Sommer) austrocknen kann.

8. Bleibt Tauwasser in der Konstruktion ?

Das Wasser, dass sich im Winter in der Konstruktion einlagert, muss im Sommer vollständig wieder austrocknen. Die Konstruktion ist nach DIN 1408 also zulässig, wenn die während der Tauperiode (60 Tage im Winter) anfallende Wassermenge mT kleiner ist, als die Wassermenge mV, die in der Verdunstungsperiode (90 Tage im Sommer) austrocknen kann. Es muss also gelten mT< mV.

Als Vorrausetzung für die Berechnung gilt nach DIN 1408 für die Verdunstungsperiode eine konstante Temperatur von 12°C Innen und Außen bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70%. Der Wasserdampfsättigungsdruck beträgt 1404 Pa bei 12°C. 1404 Pa ist der Wasserdampfteildruck in der Konstruktion, der Wasserdampfsättigungsdruck Innen und Außen beträgt bei 70% relativer Luftfeuchtigkeit somit jeweils 983 Pa. Somit ergibt sich für ΔPe und für ΔPa 1404 - 983 = 421 Pa. Die Formel für die Berechnung der Verdunstungsmenge lautet :

mV = 90 Tage · ( ΔPe / ΔSde + ΔPa / ΔSda ) / 1,5 · 106

Somit ergibt sich:

mV = 2160 h · ( 421 Pa / 1,85 m + 421 / 1 m ) / 1,5 · 106

mV = 0,934 kg/m2

Da mT kleiner als mV ist, ist die Konstruktion nach DIN 1408 zulässig.

Denkmal

Auch wenn, wie in diesem Beispiel, die Konstruktion nach DIN zulässig ist, sollte grundsätzlich in einer Konstruktion kein Tauwasser anfallen. Zudem wird noch mehr Tauwasser anfallen:

1. Wenn die Temperatur Außen weiter fällt.

2. Wenn die Luftfeuchtigkeit im Raum steigt, die angenommenen 50% sind meistens nicht vorhanden.

3. Auch in der Verdunstungsperiode, also im Sommer, kann sich Tauwasser (Sommerkondensation) bilden.

4. Bei Sonneneinstrahlung kann sich der SD-Wert der Kunstharzschicht erhöhen. Die angegebenen Werte werden nach dem Feuchtbereichsverfahren (DIN 52615) ermittelt. Im trockenen Bereich erhöht sich bei Kunstharzputzen der SD-Wert auf das 2 bis 5-fache ! Die von den Feuchteverhältnissen abhängige Dampfdurchlässigkeit gibt es nur bei den Kunstharzputzen, bei mineralischen Putzen ist das nicht der Fall [133, Seite 38].

5. Durch Erhöhung der Sd-Werte der Kunstharzputz-Schicht, wenn diese dicker als 5 mm ausgeführt wird oder nachträglich gestrichen wird.

Bedenklich ist, dass die Feuchtigkeit zudem im Winter anfällt. Das bedeutet auf jeden Fall eine feuchte Dämmung und somit eine Herabsetzung der Wärmedämmung ! Abgesehen davon, werden bei dieser Konstruktion auch noch die solaren Wärmegewinne der Wand ausgesperrt.

Fazit: Mit dem Glaser-Verfahren lassen sich keine realistischen Werte ermitteln, sondern es kann nur zu einer groben Einschätzung herangezogen werden. Bei diesem Verfahren wird auch nicht der kapillare Feuchtigkeitstransport berücksichtigt. Es lässt sich aber im Glaser-Diagramm erkennen, wo im Wandaufbau der Problembereich liegt, in diesem Beispiel der Kunstharzputz des Wärmedämm-Verbundsystems.

 


[133] Helmut Künzel: Schäden an Putzfassaden ; Fraunhofer IRB Verlag Stuttgart 1994; ISBN: 3-8167-4148-7